Präambel
Damals noch eine große Innovation: 1835 fuhr die erste Eisenbahn in Deutschland – im Königreich Bayern zwischen Nürnberg und Fürth. Seitdem ist sie in staatlicher Hand. Heute wird der Bahn besonders im Hinblick auf den Klimaschutz eine neue Stellung zuteil und das mit zunehmender Bedeutung.
Wir sehen großes, noch ungenutztes Potential in der Bahn und dem Schienenverkehr. Daher möchten wir beides mit den folgenden Forderungen fit für Gegenwart und Zukunft machen.
Allgemeines
Wir Junge Liberale möchten mehr Wettbewerb auf der Schiene ermöglichen. Anstatt hoher Preise durch das Bahn-Monopol möchten wir mit dem freien Markt für faire Preisbildung und bessere Qualität sorgen.
Dazu müssen Infrastruktur und Betrieb komplett getrennt werden. Für uns ist klar: Die Infrastruktur ist Kernaufgabe des Staates und deswegen sollen Netz und Bahnhöfe weiterhin in staatlicher Hand bleiben, während der Betrieb privatisiert werden muss.
Wir fordern dazu die Deutsche Bahn AG entsprechend aufzuteilen:
- Geschäftsfeld Infrastruktur mit DB Netz AG, DB Station&Service AG und DB Energie GmbH weiterhin in Staatsbesitz in der Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamt,
- Geschäftsfeld Personenverkehr mit DB Fernverkehr AG und DB Regio AG sowie
- Geschäftsfeld Güterverkehr & Logistik mit DB Cargo AG und DB Schenker zu privatisieren.
Erst durch diese vollständige Trennung und Aufsplittung der Deutschen Bahn AG kann gewährleistet werden, dass auf dem Betreibermarkt fairer Wettbewerb herrschen kann und somit andere private Anbieter durch die derzeitige Monopolstellung nicht benachteiligt werden.
Bis dahin soll die Bundesrepublik Deutschland als Aktionär auf Dividendenausschüttung verzichten und direkt in das Schienennetz re-investieren.
Wir fordern die Finanzmittel für die Schieneninfrastruktur deutlich zu erhöhen. Gerade im Hinblick auf die investierten Summen in der Straßeninfrastruktur ist hier Nachholbedarf vorhanden.
Auf der anderen Seite müssen durch Senkung von Steuern und Abgaben, die den Schienenverkehr betreffen, attraktive Preise ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für die Stromkosten, welche die zweithöchsten in der EU sind. Wir fordern deshalb die Stromsteuer für den Schienenverkehr abzusenken. Die EEG-Umlage ist ein weiterer Kostentreiber für den Bahnbetrieb und muss grundlegend überarbeitet werden. Bis dahin ist die EEG-Umlage für den elektrischen Schienenverkehr komplett zu streichen. Für fairen Wettbewerb sind grenzüberschreitende Reisen von der Umsatzsteuer zu befreien, wie das heute bereits im Flugverkehr üblich ist.
Ebenso muss der Bundeshaushalt Einnahmeausfälle aus den Trassengebühren hinnehmen. Diese Schienenmaut ist zu halbieren, sodass die Bahn mit anderen Verkehrsträgern mithalten kann.
Wir begrüßen die Pläne für den Deutschland-Takt 2030, plädieren jedoch für eine frühere Realisierung bis spätestens 2025 im Personenverkehr sowie bis spätestens 2030 im Güterverkehr.
Ausbau
Die Schieneninfrastruktur wurde in den letzten Jahren stark vernachlässigt, so ist das Netz von 1994 bis 2017 um über 15 Prozent geschrumpft. Ausweichgleise und Weichen sind zurückgebaut worden oder gar verkommen lassen worden. Wir sehen großen Nachholbedarf und setzen uns deshalb für eine Ausbau- und Sanierungsoffensive ein.
Es ist beschämend, dass Deutschland das Nadelöhr für den europäischen Güterverkehr ist. Andere Partnerländer halten ihre Ausbauzusagen ein, nur Deutschland kommt nicht hinterher. So fehlen wichtige Zubringertrassen zum Gotthardtunnel im Südwesten sowie ein Brennernordzulauf in Südostoberbayern. Wir fordern eine leistungsfähige Eisenbahninfrastruktur. Hierzu muss das Schienennetz in den für den Güterverkehr wichtigen Korridoren zügig und engpassorientiert ausgebaut werden. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf den Kapazitätsausbau in den Großknoten sowie die Anpassung der Infrastruktur sowie der Leit- und Sicherungstechnik für die durchgängige Fahrbarkeit von langen Güterzügen zu legen.
Lediglich 60 Prozent der Schienenkilometer in Deutschland sind elektrifiziert. Wir fordern eine Aufstockung auf 70 % bis 2025 und 80% bis 2030, sowie anschließend eine zügige weitere Elektrifizierung der verbleibenden Strecken. Wo eine Elektrifizierung aus baulichen Gründen nicht möglich oder wirtschaftlich vertretbar ist (z.B. wegen Tunnel- und Brückenhöhen), soll die Nutzung von alternativen Antrieben (beispielsweise Wasserstoffzüge) fokussiert werden.
Weichen und Ausweichgleise sind aufrecht zu erhalten und an strategischen Punkten neu zu errichten, um bei Baustellen, Störungen und anderen Problemen den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ausweichrouten sind auf wichtigen Strecken stets sicherzustellen. Zudem sind die Strecken regelmäßig zu warten und langfristig zu planen, sodass sich Verzögerungen für den Betrieb so gering wie möglich auswirken.
Auch die Bahnhofsinfrastruktur möchten wir fördern. Dabei soll zunächst der Fokus auf überlasteten Fernbahnhöfen liegen und Ausbaupläne für Bahnhöfe, die an oder über der Kapazitätsgrenze liegen, entwickelt werden. Wir bevorzugen den Ausbau existierender Bahnhöfe, stehen aber auch sinnvollen Neubauten nicht im Weg. Bei allen Erweiterungsmaßnahmen müssen eine frühzeitige und offene Kommunikation erfolgen sowie realistische Zeit- und Finanzpläne aufgestellt werden, um Debakel wie bei Stuttgart 21 in Zukunft zu verhindern.
Zudem setzen wir uns dafür ein, leblose, ungenutzte Bahnhöfe – insbesondere im ländlichen Raum – mit Leben zu füllen. So sollen die Räumlichkeiten von Firmen und Vereinen genutzt werden können.
Zudem muss umgehend ein Masterplan ETCS/digitale Leit- und Sicherungstechnik unter Einbezug der Europäischen Eisenbahnagentur und in Kooperation mit dem Bahnsektor entwickelt werden und der ETCS-Aufbau mit einem Sondertitel zur Digitalisierung von Infrastruktur und Fahrzeugen unterstützt werden.
Bei neuen Strecken fordern wir eine Trennung von Güter- und Personenverkehrtrassen. Andere Länder wie zum Beispiel Japan können hier Vorbild sein. Dies führt sowohl zu erhöhter Zuverlässigkeit sowie zu einer Verschiebung des Güterverkehrs auf die Schiene.
Wir fordern flächendeckende 4G-Netzabdeckung aller Trassen im Fernverkehr bis 2023, im Regionalverkehr bis 2025 sowie die komplette 5G-Netzabdeckung bis 2028. Dafür müssen Frequenzvergaben an verbindliche Zusagen zur Netzabdeckung geknüpft sein.
Für einen schnellen Ausbau brauchen wir ein Bahn-Infrastruktur-Beschleunigungsgesetz, das für den Aus- und Neubau von Bahnstrecken den Prozess von Baugenehmigung entbürokratisieren und beschleunigen kann.
Digitalisierung
Mobilitätsplattform
Wir möchten unterschiedliche Mobilitätsformen besser miteinander verknüpfen. Dazu soll eine deutschlandweite Mobilitätsplattform für intermodale Reiseketten entstehen. Diese soll alle angebotenen Verkehrsträger – dabei kooperierenden Anbieter diskriminierungsfrei berücksichtigt – für eine Wegstrecke nach bestimmten Kriterien verknüpfen und dem Nutzer die optimale Reisekette berechnen. Dabei sollen alle Tickets und zusammengesetzten Kosten in eine Abrechnung münden. Die komplette Reise soll auf der Plattform direkt bezahlt werden können.
Mittels lernender Systeme sollen langfristig durch Datenerfassung mit der Mobilitätsplattform die Fahrpläne der genutzten Verkehrsträger optimiert werden. Auch kurzfristig können mittels Echtzeitsystemen bei Unregelmäßigkeiten oder Überlastung (wie Stau oder Überbuchung) notwendige Maßnahmen (wie zusätzliche Kapazitäten oder Umfahrungen) bereitgestellt werden. Der Nutzer soll über die Unregelmäßigkeit und bereit gestellte Alternative informiert werden.
Durch digitale Wagennummerierung und Sensortechnik sollen von der Mobilitätsplattform Wagenempfehlungen ausgesprochen werden, um Überlastung zu vermeiden und freie Sitzplätze anzuzeigen.
Wir möchten so das Reisen mit der Bahn attraktiver gestalten und durch Intermodalität zur Klimaneutralität beitragen.
Bei der Datenerfassung für die lernenden Systeme muss größter Fokus auf Datenschutz und Anonymisierung gelegt werden. Bewegungsprofile dürfen nicht erstellt werden.
Energieversorgung
Die Klimaeffizienz der Bahn hängt wie bei jedem Verkehrsmittel vom Energieträger, also insbesondere vom Strommix in Deutschland, ab. Wir begrüßen die Pläne der Deutschen Bahn zur Klimaneutralität bis 2038. Der von der Bahn bezogene Energiemix soll transparent dargestellt werden. Beim Umstieg auf erneuerbare Energien muss selbstverständlich die Versorgungssicherheit gewährleistet sein. Hier könnte die Bahn mit innovativen Energiespeichertechnologien wie Wasserstoff und Brennstoffzellen einen technologischen Vorreiter für die Bundesrepublik stellen.
Personenverkehr
Wir fordern kostenfreies WLAN in allen Fern- und Regionalzügen. Eine zufriedenstellende Geschwindigkeit muss auch bei hoher Auslastung sichergestellt werden.
Wir setzen uns für eine Reform der Erstattungsrichtlinien ein. Dazu muss der Artikel 17 der europäischen Verordnung (EG) 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr reformiert werden. Wir fordern: Pro Minute Verspätung im Zielbahnhof soll der Kunde 1 Prozent des Fahrpreises zurück erhalten. Der Betrag muss im Fernverkehr ab 30 Minuten, im Regionalverkehr ab 20 Minuten Verspätung im Zielbahnhof ausgezahlt werden. Der Erstattungsprozess soll vereinfacht und voll automatisiert werden. Fahrgäste sollen nach Möglichkeit auf dem gleichen Wege wie sie ihre Zahlung bewirkt haben auch die Erstattung bekommen.
Fernverkehr
Wir fordern einen Aus- und Neubau von Hochgeschwindigkeitstrassen zwischen den deutschen Großstädten und Metropolregionen (München, Stuttgart, Frankfurt,Köln/Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Halle/Leipzig). Auf allen wichtigen Verbindungen muss mindestens Tempo 250 ermöglicht werden. Mittelfristig ist der Ausbau aller Strecken für Fahrten mit 300 km/h zu forcieren. Dies soll die Notwendigkeit von Inlandsflügen sowie kurzen innereuropäischen Flügen verringern und möglichst obsolet machen. Der Bahnverkehr muss auf diesen Strecken bei Fahrtdauer und Fahrtpreis konkurrenzfähig sein. Dabei sind auch die Fernfahrpläne so anzupassen, dass es für Berufsreisende möglich ist, Termine am frühen Morgen in entfernten Großstädten zu erreichen. Ein internationaler Wettbewerb muss auch im Personenfernverkehr ermöglicht werden. Die Zulassung ausländischer Mitbewerber sollte in Zukunft ohne unnötige nationale Hürden erfolgen. Die sog. Slots für Fernverbindungen müssen in fairen Wettbewerb vergeben werden.
Regionalverkehr
Für uns gehört der Regionalverkehr zur Daseinsvorsorge. Insbesondere im ländlichen Raum muss die Anbindung gewährleistet sein. Daher hat der Staat auch die notwendigen Mehrkosten dafür zu tragen. Der Betrieb soll vergaberechtlich fair ausgeschrieben werden.
Ferner setzen wir uns für Steckdosen im Regionalzug auch in der 2. Klasse ein.
Güterverkehr
Unser Ziel ist es mehr Güter auf die Schiene zu verlegen. Dies ist in Zeiten der zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes eine wirksame Maßnahme zur Einsparung von Treibhausgasen.
Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene muss von heute 18 Prozent auf mindestens 30 Prozent im Jahr 2030 steigen. Dazu ist es zwingend notwendig, dass der Masterplan Schienengüterverkehr des BMVI rasch umgesetzt wird.
Ein probates Mittel kann dabei sein, ganze LKWs komplett auf die Schiene zu laden. Diese sogenannten rollenden Landstraßen sind beispielsweise in Österreich bereits Gang und Gäbe und tragen erfolgreich zur Reduktion von Verkehr auf der Straße und Einsparung von CO2 bei.
Wir sind überzeugt, dass durch die oben geforderte Abschaffung von finanzieller Mehrbelastung (EEG-Umlage, Stromsteuer, hohe Trassengebühren) die Schiene absolut konkurrenzfähig zur Straße werden kann.
Darüber hinaus müssen Maßnahmen zur Automatisierung und Beschleunigung des Güterumschlags ergriffen werden. Die Umschlagszeit wird durch Optimierung verkürzt und daraus resultierend auch die Lager- und Wartezeit der Ware. Dies führt zu einer kosten- und zeiteffizienteren Logistik. Durch den Einsatz intelligenter, lernender und prädiktiver Systeme kann der Güterumschlag besser gestaltet und außerdem Personalmangel durch autonome Systeme ausgeglichen werden. Neben automatisiertem Be- und Entladen der LKWs fordern wir autonome Lagersysteme, die auf Grundlage verschiedener Daten die optimale Zusammenstellung und (Zwischen-)Lagerung der Waren berechnen. So kann sichergestellt werden, dass es zu keinen Kosten- und Zeitnachteilen kommt wenn man auf den Transport per Bahn setzt.
Bis zur vollständigen Integration sollen Bund und Bahnsektor digitale Testfelder für vernetztes Fahren und Automatisierung in der Zugbildung starten.
Europafokus
Grundsätzlich setzen wir uns für eine europaweite Integration der Maßnahmen ein. Wir fordern die Standardisierung und Vernetzung des europäischen Netzes, um grenzüberschreitende Fahrten zu erleichtern. Dazu gehört auch, dass bei der Neuentwicklung von Zügen und Steuerungssystemen Synergieeffekte ausgenutzt werden.
Die Deutsche Bahn soll enger und intensiver mit europäischen Partnern zusammenarbeiten. Das Buchen insbesondere für grenzüberschreitende Fahrten oder Spezialfahrten wie Nachtzüge soll vereinfacht und optimiert werden.
Wir fordern eine europäische Verordnung zum Verbot von Diskriminierung von Preisen im Zugverkehr. Innerhalb der Europäischen Union müssen für Fahrten eines Anbieters unabhängig des Buchungsortes oder der Herkunft des Fahrgastes zum selben Zeitpunkt die gleichen Preise gelten.
Bahn – fit in die Zukunft
Wir Junge Liberale setzen uns für Technologieoffenheit im Bahnsektor ein. Bei Neubaustrecken ist der aktuelle Stand der Technik umzusetzen und zugleich die Kompatibilität mit aussichtsreichen Zukunftstechnologien zu beachten.
Wir möchten den Bahnsektor zum Technologievorreiter machen und eine Forschungsoffensive für innovative Mobilitätsformen ins Leben rufen. So sollen auch neue Konzepte wie Wasserstoffzüge oder Hyperloops aktiv angegangen werden. Auch bereits in anderen Ländern erfolgreich etablierte Systeme wie der in Deutschland entwickelte Transrapid müssen ergebnisoffen betrachtet werden.
Antragsteller: Tobias Weiskopf, Felix Meyer, Melanie Pospisil, Hannah Czekal, Albrecht Dorsel, Xaver Stang, Jennifer Kaiser-Steiner, Carl Schneegaß, Maximilian Winter, Anna Schnabel
Gültigkeit: unbegrenzt