Gesundheit 4.0 – E-Health endlich vorantreiben!

Präambel

Wir Junge Liberale betrachten uns als Gestalter der Digitalisierung und als Fortschrittsdenker im Bereich der Gesundheitspolitik. Die Verbindung beider Gebiete in Form eines digitalen Gesundheitswesens bewerten wir als Chance für eine effizientere, kostengünstigere und patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Daher begrüßen wir aktuelle Reformen, wie die Aufhebung des „Fernbehandlungsverbots“ (und die damit gestattete Arzt-Patienten-Kommunikation per Videotelefonie ohne vorangegangenen persönlichen Erstkontakt) sowie die Einführung der E-Gesundheitskarte. Für uns stellen diese jedoch lediglich die ersten Schritte auf dem langen Weg zu einem zeitgemäßen E-Health-System dar. Gegenwärtigen Versäumnissen muss schnellstmöglich entgegengewirkt werden, um Versorgungslücken zu vermeiden und Anschluss an unsere Nachbarländer zu gewinnen.

Telemedizin

Die Telemedizin bietet aufgrund ihrer räumlichen und zeitlichen Flexibilität große Vorteile für Patienten und Ärzte. Mobilitätshindernisse können künftig mit minimalem Aufwand überbrückt werden. Die Fernbehandlung ist nicht mit einer konventionellen Behandlung gleichzusetzen, verdient aber Anerkennung in ihrer Rolle als Zusatzangebot sowie eine vorurteilsfreie Ausgestaltung. Aus diesem Grund fordern wir:

  1. die ersatzlose Streichung der numerischen Einschränkung auf „Einzelfälle“ aus der Musterberufsordnung für Ärzte. Die telemedizinische Behandlung darf nicht als Individualphänomen fungieren, sondern muss als allgemein zugängliche Option akzeptiert werden.
  2. die Einführung einer Weiterbildung für telemedizin-beanspruchende Ärzte. Diese soll als „Lizenz“ für die Vergütung telemedizinischer Behandlungen dienen. Ferner sind jegliche telemedizinische Anwendungen als konkrete Leistung und differenziert nach dem entsprechenden Arbeitsaufwand für die vertragsärztliche Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und für die privatärztliche Vergütung in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abzubilden.
  3. bei ausreichender Nachfrage die Erwägung der Errichtung eines autonomen Telemedizinsektors für Ärzte, die einer exklusiven Tätigkeit im telemedizinischen Bereich nachgehen wollen. Niedergelassene Ärzte dürfen dabei in keiner Weise in ihrem Engagement benachteiligt werden.
  4. ein unmissverständliches Leitbild für telemedizinische Behandlungen, dessen Erstellung in der Verantwortung der Bundesärztekammer liegt und an welchem sich Ärzte und Patienten gleichermaßen zu orientieren haben. Dabei ist differentialdiagnostisches Vorgehen strikt vom Spektrum der Telemedizin auszuschließen. Jenseits des Leitbilds ist den Ärzten ihr üblicher Freiraum in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu gewährleisten.
  5. in Ergänzung der Aufklärungspflicht Initiativen seitens der Ärzte, über ihre telemedizinischen Dienste schriftlich oder online zu informieren und insbesondere die Grenzen ihrer Dienste zu deklarieren.
  6. die Zulassung der Aushändigung von E-Attesten und E-Rezepten im Anschluss an eine telemedizinische Behandlung. Hierfür ist das Leitbild von zentraler Bedeutung. Für die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zum Kursieren von E-Attesten und E-Rezepten ist das Gesundheitsministerium verantwortlich.
  7. eine EU-weite Harmonisierung für E-Rezepte und Online-Apotheken, um freien Wettbewerb im Gesundheitsmarkt zu garantieren.

Elektronische Patientenakte

Elektronische Patientenaktensysteme (ePA) ermöglichen dem Patienten ständigen und unkomplizierten Zugriff auf seine Behandlungsverläufe, Befunde und Gesundheitsdaten. Seit 2004 ist die persönliche elektronische Gesundheitsakte (peGA) eine satzungsfähige Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Im Gegensatz zur elektronischen Patientenakte bieten Anbieter einer peGA ein persönliches Gesundheitsmanagement an, das vom Patienten selbst geführt werden muss – also allerhöchstens eine Kopie der ärztlichen Patientenakten darstellt und dies auch nur, sofern der Nutzer minutiös sämtliche Unterlagen von seinen Ärzten anfordert und eigenhändig in die jeweiligen Apps und Webangebote überträgt.

Dies erscheint uns nicht mehr zeitgemäß. In vielen Nachbarländern der Bundesrepublik existieren bereits Systeme, die Patienten Einsicht in die vom Arzt geführte Patientenakte geben und sogar eine Zugriffskontrolle erlauben. Dies ermöglicht Patienten einen mündigen und selbstverantwortlichen Umgang mit ihren eigenen Daten und Krankengeschichten. Zugleich können Doppelbehandlungen und Fehldiagnosen vermieden werden, wenn nicht jeder Leistungserbringer seine eigene lokale Patientenakte führt, sondern Röntgenbilder, Blutwerte und Krankheitsverläufe elektronisch zwischen Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus übermittelt werden können. Deutschland muss seine Versäumnisse in diesem Bereich schleunigst nachholen und Anschluss an seine Nachbarn finden.

Aus diesem Grund fordern wir den Aufbau eines elektronischen Patientenaktensystems, in welches alle Leistungserbringer die Behandlungsdaten ihrer Patienten einpflegen müssen.

Einziges Kriterium für Software, durch welche Leistungserbringer auf die ePA zugreifen, soll weiterhin die Zulassung durch die gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) sein.

Als bestmögliche Lösung erachten wir ein kombiniertes System aus ePA und persönlichen Gesundheitsakten. Hierbei haben weiterhin nur Leistungserbringer die Möglichkeit, Daten in die ePA einzupflegen. Der Charakter eines Beweis- und Dokumentationsmittels der Patientenakte bleibt gewahrt. Gleichzeitig soll nicht nur der direkte Zugang zur ePA für Patienten möglich sein (z.B. über eine Website), sondern auch der freiwillige Zugriff über die peGA-Systeme privater Anbieter und Krankenkassen. Auf Anweisung des behandelnden Arztes soll es zudem möglich sein, dass Patienten direkt Daten in die ePA einpflegen können. So soll es ermöglicht werden, zukünftig Schmerztagebücher, Blutzuckerprotokolle und andere Arten der Patienten-Arzt-Kooperation papierlos abzuwickeln.

Bei der Entwicklung, Ausgestaltung und Umsetzung sind wir technologieoffen. Diese Aufgaben und Kompetenzen sollen weiterhin der gematik obliegen, die bereits das System der elektronischen Krankenversicherungskarte für die Bundesrepublik entwickelt hat.

Dennoch fordern wir, dass die Compliance-Vorgaben für von der gematik betriebene oder entwickelte Systeme nicht länger ignoriert werden. Ein Nachweis, dass die aktuellen Systeme die Anforderungen zum Stand der Technik nach den international gültigen Normen (ISO/IEC 15408 und andere vom BSI mit verfassten Standards) erfüllen, ist schnellstens nachzureichen.

Weiterhin sind wir der Meinung, dass eine zentralisierte Speicherlösung aller Daten dem Sicherheitsanspruch der Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht werden wird. Stattdessen bevorzugen wir verteilte Speicherlösungen, bei denen nur Referenzen zentral hinterlegt werden, wie sie etwa in Österreich bereits 2013 etabliert wurden.


Antragsteller: Stadtvorstand


Gültigkeit: unbegrenzt

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